Der Stoff des shakespearschen „problem play“ „Der Widerspenstigen Zähmung“, in der Stückeinführung als „so weit, so frauenfeindlich“ beschrieben, wird in der Inszenierung Moritz Sostmanns auf den Kopf gestellt: Ursprüngliche Männerrollen werden zu Frauenrollen und andersrum. Anstatt alle Figuren mit Menschen zu besetzen, werden teilweise Puppen eingesetzt, eine Besonderheit des Regisseurs. So wird eine Art Anti-Patriarchat entwickelt, geschlechtliche Machtverhältnisse auf die Probe gestellt und ein mal harter, mal verspielter Kampf der Geschlechter ausgetragen.
Unter tosendem Applaus zerschmettert eine „Frau aus dem Publikum“ (Bettina Schmidt) eine Glasflasche auf dem Kopf ihres Kollegen, nachdem dieser von der niederen Stellung der Frau schwadroniert
hat. Auf den am Boden Liegenden herabschauend, fragt sie die Zuschauenden: „Was macht man da jetzt so als Frau?“. Nach einem ironischen Monolog und erneutem Applaus scheint das Stück richtig zu
beginnen: Die Brüder Bianco, der jüngere, beliebte, und Katharino, der ältere, widerspenstige, treten auf und die ebenfalls erscheinende Lucentia, Personifikation der Barbie, ist sofort in den
ersten verliebt. Ausgangssituation für die Geschichte mit all ihren Wirrungen und Verstrickungen bzw. Verkleidungen à la Shakespeare. Es folgt der Auftritt der Petruchia (Anne Cathrin Buhtz)
begleitet von vier Tänzer*innen, deren Ziel, reich zu heiraten, schnell klar wird. Ihr wird von Katharino erzählt, den sie zu heiraten sofort begeistert ist. „Ein zeternd zänkisch Mann – wo ist
denn das Problem?“ Diese Einstellung wiederum kommt Lucentia sehr entgegen, die ihren Bianco nur heiraten kann, wenn auch dessen widerspenstiger Bruder „unter die Haube kommt“. Im Folgenden
springt die Handlung zwischen a) Lucentia, die als Englischlehrerin verkleidet, Zeit mit Bianco verbringt und b) Petruchia, die Katharino nach der Hochzeit verschleppt und zähmt. Beendet wird das
Stück mit einem von Petruchia initiierten Wettbewerb: „Eine jede soll ihren Mann jetzt rufen lassen!“. Bianco und auch Hortensias Mann kommen nicht und Katharino erscheint erst, nachdem er von
Petruchia gerufen wurde. Auffällig ist jedoch, dass eben diese beiden, im Gegensatz zu den anderen, nicht als Paar die Bühne verlassen, sondern Katharino nur gezwungenermaßen mit seiner Ehefrau
verschwindet. Subtext: Für eine funktionierende Beziehung ist es also nicht förderlich, zu zähmen/gezähmt zu werden, sondern vielmehr dem Partner/der Partnerin gelassen und vertrauensvoll
gegenüberzutreten.
Das an ein Amphitheater erinnernde, relativ zurückhaltende Bühnenbild steht sehr im Kontrast zu den lauten, mitunter obszönen Darstellungsweisen, teils schrillen Kostümen und ganz allgemein: der
modernen Inszenierung. Geschlechterungleichheiten werden humorvoll, aber auch tiefgründig angesprochen, die Interpretation lässt Männer zu Objekten, Frauen zu Subjekten werden. Die grandiose
Arbeit der Darstellenden und der das Stück auflockernde Einsatz von Musik lassen die 160-minütige Vorstellung zu einem Fest für alle Sinne werden.
Diese Rezension ist im Rahmen des Projekts „SCENEN::NOTIZ“ in Kooperation mit der Jugendpresse Sachsen entstanden und wurde von Peter Fuchshuber verfasst.