„Geradeaus, links, geradeaus, rechts, rechts, Tür, Treppe hoch, nur einen Stock.
Links, links, geradeaus, rechts, übers Studio, rechts, links, Rangfoyer, links. Bin ich dann da?“ – fast.
- eine kleine Wegbeschreibung von Annes Schreibtisch zur Dramaturgie-
Es vergeht kein Morgen seit August, an dem einen kein grinsender Blick vom sonnigen Ecktisch der Theaterpädagogik empfängt, denn Anne ist immer die Erste im Büro. Sie genießt die Ruhe und nutzt die Stille um angefallene Mails zu beantworten, konzentriert an etwas Liegengebliebenem zu arbeiten oder konzeptionelle Gedanken für ihren Club Die Spielfreudigen zu ordnen. Trotzdem, beteuert sie lachend, freut sie sich sehr, wenn Johannes, ich und Babette schließlich alle ins Büro tröpfeln und der Arbeitsalltag mit Stimmenwirrwarr, Telefonklingeln und Kaffeegeruch seinen Lauf nimmt.
Anne Tippelhoffer ist seit der Spielzeit 19/20 am Schauspiel Leipzig. Anders als Johannes und ich hat sie sich aber bereits Monate vorher, gemeinsam mit Babette, Gedanken um das kommende Jahr und die Spielclubs gemacht. Und wer nun vermutet, Anne würde sich noch vorsichtig an ihren Arbeitsplatz tasten, der liegt falsch – das Theater ist zu ihrer Westentasche, der Schreibtisch ihr Revier geworden. Und keiner würde je ahnen, dass sie erst seit einigen Wochen in unserem Büro zu finden ist. Und wir können richtig froh sein, denn bevor es Anne ins Theater verschlagen hat, hat sie unzählige Studentenjobs ausprobiert: von der Rezeption im SeniorInnenheim, Schülerhilfe und Jugendbildungscoachin, Messehostess, Reifenwechseln in der KFZ-Werkstatt ihres Vaters bis hin zur Stadtführung bei der Trabbi Safari oder als Touristenführerin an der Amalfiküste. Sie sagt, sie hat sehr früh angefangen, ihr eigenes Geld zu verdienen. Als sie dann aber als Regieassistentin anfing, blieb kaum noch Zeit für etwas nebenher. Von da an hat sie hauptsächlich mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Theater gearbeitet, zuerst freiberuflich, dann am Staatsschauspiel Dresden, den Landesbühnen Sachsen und am Deutschen Theater Berlin. Umso spannender ist es für Anne jetzt, den SeniorInnenclub zu übernehmen, auch wenn sie immer noch großen Respekt davor hat, mit Menschen zu arbeiten, die so viel Lebenserfahrung mitbringen. „Aber das ist eben auch total inspirierend. Da ist so viel Substanz da. Die SpielerInnen selbst tragen den Stoff in sich, der am Ende auf der Bühne landet.“, sagt Anne. Sie meint es ganz wertfrei, wenn sie sagt, dass die SpielerInnen auf eine viel längere Biografie zurückgreifen können, als ein Jugendclub beispielsweise.
Ich frage welche Themen Anne gern mal an die Schulen Leipzigs bringen würde, wozu es zum Beispiel mal ein Klassenzimmerstück geben sollte. Das Format findet sie reizvoll; da kann auch mal der ländlichere Raum bespielt werden und Menschen, die man sonst nicht erreicht, kommen mit Theater in Berührung. Und da wir in Sachsen sind, meint sie schmunzelnd, findet sie partizipative, interaktive Formate im Bereich der Demokratiebildung geeignet, die vorrangig Spaß machen, aber auch gesellschaftspolitische Gesprächsräume öffnen.
„Ungeduldig, begeisterungsfähig, politisch, vorausschauend, optimistisch“, versucht sie sich in fünf Worten zu beschreiben.
Anne lebt im Hier und Jetzt, sie ist aber auch ein Zukunftsmensch. Auf Johannes Frage, in welcher Zeitepoche sie gern gelebt hätte, antwortet sie, dass sie zwar wahnsinnige Lust verspürt in viele Momente der Vergangenheit einen Blick zu werfen, aber sehr froh ist, in der Gegenwart zu leben. Die Freiheiten die wir haben, gerade als Frauen und unsere demokratische Gesellschaft, weiß sie zu schätzen. Vielleicht würde sie sogar lieber in die Zukunft schauen – das wäre auch spannend, vermutet sie.
Was Annes zukünftige Reisepläne angeht, ist sie aber weniger futuristisch gestimmt. Ich frage sie, welche Reiseführer ich in ihrem Koffer finden würde, wenn sie noch heute für drei Reisen im nächsten Jahr packen müsste. Weit und länger gereist ist Anne bereits, jetzt will sie lieber aufs Fliegen verzichten. „Ich würde also wahrscheinlich Radwanderkarten, Tipps von Freunden und Sehenswertem aus der Umgebung finden.“ Am Ende sind wir uns auch einig, dass der Sommer eigentlich überall schön ist, ob nun im Wohnmobil an der Ostsee oder in der Hängematte in der sächsischen Schweiz.
Sonne, Sommer, Spielzeitpause - bis dahin liegt noch eine ganze Menge vor uns, aber zurzeit braucht Anne nicht allzu viel, um ihren Arbeitsalltag zu überstehen, keine erhöhten Koffeindosen oder wachrüttelnde Kaltduschen, es reichen ein harmonisches Team und ein ausgeglichenes Familienleben, um Anne mit einem Lächeln aus dem Bett und in die Bosestraße 1 zu kriegen.
Ein Interview von Rosa Preiß, FSJ Kultur
Rosa Preiß macht diese Spielzeit ihr FSJ-Kultur und schreibt davon auf diesem Blog. Die ursprüngliche Berlinerin hat gern den Überblick und ist somit die Tabellen- und Listenbeauftragte der Theaterpädagogik. In ihrer Freizeit lässt sie gern die Beine baumeln oder steht an der eckigen, familiären Crêpesplatte.