Seit einigen Tagen erwache ich jeden Morgen vom Gezwitscher der Vögel. Der Frühling ist endlich da! Die Sonne kitzelt mich im Gesicht und mich gelüstet es nach langen Spaziergängen. So wie der Lenz sich verkündet, bereiten sich viele auch schon auf die kommenden Ostertage vor. Und pünktlich zum Karfreitag wollen wir einen Klassiker aus dem Bücherregal hervorziehen: Goethes Faust.
Eine himmlische Wette, ein Treffen mit einem teuflischen Pudel, ein verhängnisvoller Verjüngungszauber, haltloser Liebeskummer und diverse Morde – hier nur ein paar Schlaglichter der Tragödie, da vielen von euch der Inhalt wahrscheinlich nicht ganz fremd ist. Fausts Lebensstil ist übrigens ein Parade-Beispiel für „social distancing“: Faust ist in seinem Gelehrtenzimmer abgeschottet von der Welt, vertieft in seine Studien und auf der Suche nach den Antworten des Lebens. Er meidet jeden Kontakt zur Außenwelt. Nur spazieren gehen, das lässt auch er sich nicht nehmen. Gemeinsam mit seinem Freund Wagner begibt er sich auf den bekannten Osterspaziergang und hofft darauf, zur Ruhe zu kommen.
Mehrfach katapultiert Regisseur und Intendant Enrico Lübbe in seiner Faust-Inszenierung am Schauspiel Leipzig, Fausts Spaziergang auf die Bühne. So wird dieser fast zur vertonten Konsonanten-Kulisse der Tragödie. Hier knüpfen wir mit unserer Challenge an: Vielleicht zieht dich in den kommenden Feiertagen das sonnige Wetter ja auch nach draußen?!
Wir wollen deine Interpretation des Osterspaziergangs sehen! Ob umgedichtet, verbildlicht oder getanzt. Ein imaginärer oder echter Spaziergang – nimm uns mit in deine Oster-Kulissen!
Achtung, aufgepasst! Wir wollen euch ein entspanntes Wochenende gönnen und verlängern deswegen die Einsendefrist. Sendet eure kreativen Ausflüge also gern bis einschließlich Mittwoch, den 15.4., an: fsj_tp@schauspiel-leipzig.de oder teilt sie auf euren Social-Media-Kanälen unter #theatralesWohnzimmer. In diesem Sinne: Genießt die Sonnenstrahlen und habt ein schönes Osterfest, im kleinen Kreise!
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden, belebenden Blick.
Im Tale grünet Hoffnungsglück.
Der alte Winter in seiner Schwäche
zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur[1].
Aber die Sonne duldet kein Weisses.
Überall regt sich Bildung und Streben,
alles will sie mit Farbe beleben.
Doch an Blumen fehlts im Revier[2].
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
nach der Stadt zurückzusehen!
Aus dem hohlen, finstern Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden.
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
aus dem Druck von Giebeln[3] und Dächern,
aus der Strassen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh, wie behend sich die Menge
durch die Gärten und Felder zerschlägt,
wie der Fluss in Breit und Länge
so manchen lustigen Nachen[4] bewegt,
und, bis zum Sinken überladen,
entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges ferner Pfaden
blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel.
Hier ist des Volkes wahrer Himmel.
Zufrieden jauchzet gross und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein!
[1] offenes, unbewaldetes Kulturland
[2] Platz in der Natur
[3] obere anschließende Wandfläche eines Gebäudes im Bereich des Daches
[4] kleines Boot
- Johann Wolfgang von Goethe, Faust 1
Hinaus geht’s aus der Tür, wie eine Flucht,
Richtung Elsterflutbett und Pleiße durchs Grün.
Am Wegrand wächst der Bärlauch wild,
dessen Duft liegt überall in der Luft,
der Boden bedeckt mit grünem Schild.
Am Flusslauf sieht man die Schleuse schon
Stillschweigend, denn auf dem Wasser kaum ein Kahn,
doch der Fluss fließt stets im ewigen Strom.
Am Ufer macht die Sonne Steine warm.
Sie bringt sanft die Landschaft zum Aufleben,
und lädt auf Wiesen ein zum Hinlegen.
So sprenkeln Menschen hier und da
Die grünen Hänge und weilen dort.
Ich dreh mich um und sehe da
hochragend den Uniriesen.
Zur Rennbahn geht’s in die Stadt,
doch von dieser bin ich langsam satt.
Ich such den Weg fernab davon,
vielleicht geht es zum Musikpavillon.
Vorbei am abgesperrten Spielplatz,
bin ich am blauen Inselteich gelandet.
Daneben gleich die Sachse als Chill – Platz,
hier tummelt man sich allzu gern,
alle entfliehen sie ihrer Wohnung,
wollen raus in die Natur hinein
und versuchen frei zu sein.
Man wünscht sich Gesundheit und Spaß am Glücksbaum,
genießt den Frühling auf Entfernung
und hilft sich am Brückenzaun.
Kein Eiswagen da und keine Lockung,
ich gehe langsam wieder zurück,
lass mich von der Sonne kitzeln
und auf dem Weg wird Bärlauch gepflückt.
Hier und da wird noch etwas gegrillt,
es wirkt schon etwas idyllisch da
und ein was wird mir schnell sehr klar,
es ist nicht alles große Pein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!
- Johannes Preißler
Ein Spaziergang durch die Natur Leipzigs mit Johannes Preißler.
Johannes Ernst Richard Preißler ist die männliche Unterstützung im Theaterpädagogik Team für diese Spielzeit. Wenn er mal nicht zum Kaffeeklatsch der SeniorInnen eingeladen ist, singt er von Rettungsschwimmern, Wutbürgern und Stalkern mitsamt seines Akkordeons.