Workshops, direkt an deinen Bildschirm geliefert!
Seit fast einem Jahr steht die Welt des Theaters nun Kopf. Zwischen den Aufgaben im Homeoffice und digitalen Inszenierungen habe ich mich richtig darauf gefreut, mal einen kleinen Einblick in die
Welt von TheaterpädagogInnen der freien Szene zu bekommen, denn auch im theaterpädagogischen Bereich fliegen uns Steppenläufer um die Ohren und gerade KünstlerInnen der freien Szene leiden unter
dem Lockdown. Mit Freuden erfuhr ich Ende 2020 also von der Kooperation der Schau:Lust Grünau und dem Schauspiel Leipzig. Schau:Lust:Digital, das sind Mona-Bawani Mühlhausen und Nele Wagener,
zwei Theaterpädagoginnen, die online Workshops für Kinder und Jugendliche angeboten haben.
Einen ihrer Workshops durfte ich mir von zuhause aus anschauen. Das Thema war Konsum, das gegebene Stück die Quarantäneversion von „mehristwenigermehr“ des Theaterjugendclubs #noname aus
der letzten Spielzeit. Gemeinsam mit den Leiterinnen konnten sich die Kinder das Stück online ansehen und später zu den gesammelten Impulsen weiterarbeiten. Hier wurde viel mit Licht,
verschiedenen Kameraeinstellungen und eigens geschriebenen Texten der Kinder experimentiert. Ihnen wurde gezeigt, dass die Inszenierung nichts Fremdes ist, sondern dass auch sie, mit den
gegebenen Mitteln ähnlich arbeiten könnten wie der Jugendclub. Ein Workshop, der mir Lust auf mehr gemacht hat. Nicht nur, was eigene Ideen für den virtuellen Raum betrifft, sondern auch das
kreative Ausleben nach dem Schauen von Inszenierungen.
Ich habe mich mit Bawani und Nele, den Leiterinnen des Schau:Lust:Digital-Projekts zusammengesetzt und ihnen ein paar Fragen gestellt.
Was ist eigentlich Schau:Lust:Digital?
Die Grundidee von Schau:Lust war eigentlich, Kinder ins Theater zu holen und sie Stücke erst betrachten und dann gemeinsam erarbeiten zu lassen. „Das Gesehene sollte jedoch nicht analysiert werden, die Kinder sollten immer ihren Gedanken und Meinungen freien Lauf
lassen.“ Das Projekt war darauf ausgelegt, Kindern die Möglichkeit zu geben, Inszenierungen zu sehen und später dann
durch Anleitung verstehen zu lernen. So sollten sie Theater schauen und Lust darauf bekommen, kreativ an dem Stoff zu arbeiten. Nele und Bawani war es gerade wichtig, „auch
Kinder mit ins Boot zu holen, die sonst vielleicht keinen Zugang zum Theater gehabt hätten“. Alle ihre Workshops waren für
die TeilnehmerInnen kostenlos. Durch den Lockdown wurde der Plan jedoch ein wenig umgewürfelt. Schau:Lust wurde digitalisiert und zu Schau:Lust:Digital umgewandelt, die Ziele der Leiterinnen
änderten sich jedoch nicht.
Wie hat sich Schau:Lust gefunden?
Das Projekt startete Anfang 2020, als Bawani mit Vanessa, einer weiteren freischaffenden Theaterpädagogin, Schau:Lust ins Leben rief. Die beiden setzten sich zusammen, „hatten Lust darauf, ein größeres Projekt für theaterinteressierte Kinder und Jugendliche“ neben
beispielsweise Spielclubs auf die Beine zu stellen. „Schau:Lust wandelte sich ständig, gerade durch den
Lockdown.“ Trotzdem wollten sie, auch ohne Präsenz, für ihre TeilnehmerInnen einen Raum schaffen, um die Lust auf
Theater zu wecken beziehungsweise weiter zu schüren.
Überwiegen bei Online-Projekten eher die Chancen oder Schwierigkeiten?
Natürlich wäre auch Bawani und Nele ein Workshop im realen, nicht virtuellen, Raum viel lieber. „Technische
Schwierigkeiten kann es immer mal geben, nicht jedes Kind, das vielleicht gern teilgenommen hätte, hat die Möglichkeit auch
online mitzumachen“ und das Schauen auf den Bildschirm kann schnell müde machen. Aber die Digitalisierung hatte auch etwas
Gutes: „Das Projekt konnte sich öffnen.“ So waren unter den TeilnehmerInnen auch Kinder aus anderen Bundesländern. Durch die Sicherheit des eigenen Zuhauses konnten
einige Kinder mehr aus sich heraustreten, leichter mit den anderen kommunizieren und Gedanken äußern. Und während Übungen wie der Klatschkreis digital eher so semi-gut funktionieren,
konnten Bawani und Nele den TeilnehmerInnen viel mit Licht und Kamera zeigen. Den Kindern wurde hier näher gebracht, wie sie verschiedene Kamerawinkel und -einstellungen, Lichteffekte und auch
-einfallswinkel nutzen können, um den ZuschauerInnen Emotionen und Situationen zu vermitteln.
Nach diesen Gedanken musste ich schlussfolgern, dass man nicht-digitale Formate schwer auf Plattformen wie Zoom oder Jitsi übertragen kann. Aber müssen wir das überhaupt? Bawani und Nele waren sich einig: „Hier muss differenziert und sich neu gefunden werden“. Wir sind zwar nicht dazu in der Lage, das gewohnte Programm eines theaterpädagogischen Workshops in den digitalen Raum zu bringen, dennoch bieten sich neue Möglichkeiten, sie Kindern und Jugendlichen auch im virtuellen Theater nahe zu bringen, neben den üblichen Gruppenspielen und -übungen.
Wie kam die Kooperation mit dem Jugendclub #noname eigentlich zustande?
Gerade weil im letzten Jahr so viele Stücke und Inszenierungen für den digitalen Raum geschaffen wurden, wollte Schau:Lust in ihrem letzten Workshop den Teilnehmer*innen zeigen, wie andere junge
Spielende diesen als Bühne nutzen. Die letzte Produktion des Jugendclubs am Schauspiel Leipzig war komplett digital und sehr facettenreich. Von zusammengeschnittenen Videoclips, bis hin zu einem
kleinen Hörspiel war alles dabei. Junge Menschen machen (digitales) Theater für junge Menschen. Auch das Thema „Konsum“ sprach Bawani und Nele an. Oft unterschätzt man Kinder und Jugendliche, was
ihre Auffassungen zu ernsteren Themen anbelangt. Doch die Workshops zeigen, wie kreativ sie damit umgehen und wie komplex ihre Gedanken eigentlich sein können.
Wie geht es 2021 also weiter?
„Das Projekt Schau:Lust wurde nun eingestellt.“ Bei Projekten in der freien Theaterszene sind Fördergelder oft
auf ein Jahr begrenzt. Durch die „Unsicherheiten
des Lockdowns ist natürlich niemandem bewusst, wie lang wir uns noch im digitalen Rahmen treffen werden“. Dennoch sind
Bawani und Nele offen für Anfragen, ihr Können stellen sie auch gern außerhalb von Schau:Lust unter Beweis und geben weiterhin unabhängige Workshops
Einen Link zur Homepage von Schau:Lust findet ihr hier.
Miles Rolle ist das neue männliche Pendant zur weiblichen Besetzung des Theaterpädagogik-Teams. Der „Kleinkünstler“ und ehemalige Rettungsschwimmer
möchte nun nicht mehr nur auf, sondern auch hinter der Bühne Wellen schlagen.