Wie fühlt es sich an, Deutsch zu sein?
Die Antirassismusarbeit kannst du aber auch zuhause machen, Stefanie.
Ich will nicht mehr mit Weißen über Rassismus reden!
Haben unsere Migra-Eltern so hart gearbeitet, damit wir eine richtige Ausbildung machen, nur damit wir dann arbeiten gehen bis wir unglücklich sind?
Sie [die Deutschen] meinen es ja meistens nicht böse, das ist ja das Bekackte an der Sache!
Das Bürokratiescheißding!
Die Könige sind satt und glücklich – Tötet sie!
Marco Damghani und Eidin Jalalis szenisches Projekt ist wütend, aufwühlend, authentisch, konfrontativ, mutig, unfassbar politisch, anklagend. „Die Leiden des jungen Azzlack“ lässt mich aufatmen. Es geht um uns, es geht um „die anderen“, es geht um unsere Eltern, es wird sogar unsere Sprache gesprochen. A. klagt die deutsche Mehrheitsgesellschaft an und konfrontiert sie damit, dass sie nicht unschuldig sind. Dass „ausgeschlossen sein“ ein Verb ist, damit geht eine Handlung einher, nämlich das Ausschließen [von Menschen durch andere Menschen].
Wer ist daran schuld, dass A. sich beim Vorsprechen verbiegen muss? Warum muss Theatersprache so verdammt unnatürlich sein? Warum hat Deutsch so Wörter wie Fußbodenschleifmaschine? Wenn A. nicht hierhin gehört, wohin denn dann? Wie kann sein Vater den Deutschtest bestehen, ohne zwei Kilo Schweinefleisch essen zu müssen? Du musst nicht das Schwein nachmachen, du musst das Schwein werden!
Kein Zweifel daran, dass dieses Stück echt ist. Dass die Erfahrungen wirklich erfahren wurden, dass hier nichts Fiktion ist. Ich verschwende keinen Gedanken daran, dass die vierte Wand gerade gebrochen wurde; es ist, als wäre sie nie da gewesen. Ich denke keine Sekunde an die Machart, an die Dramaturgie, an die Konzeption. Hals über Kopf in dieses Stück gestolpert, und es gibt kein Zurück, kein wieder-raus-stolpern. Die Texte sind persönlich, bodenständig, real, traurig, stark, und das alles, ohne dabei den Humor zu verlieren.
Vielleicht fühlen sich die bürgerlichen Biodeutschen, die die Mehrheit des Publikums des Schauspiel Leipzig ausmachen, bei diesem Stück mal, wie sich migrantisierte Menschen, besonders POCs, eigentlich bei fast jedem Film, bei jeder Serie, besonders bei jedem Theaterstück, fühlen: Da ist niemand, mit dem sie sich identifizieren können! Da ist einfach niemand, der ist wie sie! Und dann ist A. zum Ende hin auch noch so unangepasst, so wütend, so verzweifelt, so ganz der schlimmste Albtraum eines CDUlers.
Ich kann nicht anders als mich hoffnungsvoll fühlen, dass eben nicht alles so bleibt wie es ist. Dass es so nicht weitergehen wird, dass in der spröden, grauen, deutschen Theaterlandschaft etwas von Dekolonialisierung in der Luft liegt. Dass die verquere, unechte Theatersprache, voller Wörter, die für ein Publikum gemacht ist, die diese Wörter nicht mal googeln muss, sich endlich selbst abschafft.
Die Bühnen denen, die sie brauchen. Die wir brauchen.
Dana Folz versteht keinen Sarkasmus und kann sich das Ende des Kapitalismus eigentlich ganz gut vorstellen.